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Peter Wawerzinek - Rabenliebe

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Ein Mann, heißt es, ist nach der Wende mit seinem knallroten Trabbi bis hierher aufgebrochen und Autohändler geworden. Dann klingelt das Telefon. Bruder Nummer drei hat von mir über Schwester Nummer zwei erfahren und will mich auch im Namen der Schwester Nummer vier gern sehen. Auf ein Bier. Ich schlage das Notizbuch zu, mir schwirrt der Kopf. Das Bild auf dem Notizbuch, ich sehe es mir zum ersten Mal genauer an. Ein Mann in Sandalen und in ein orangenes Tuch gehüllt, geht auf ein offenes Tor zu. Das Tor besteht aus Baumstämmen und in die Lücken eingefügte Steinen. Eine riesige Aushöhlung, hinter ihr ein mit Bäumen bestandener Park. Wie vor dem Tor fühle ich mich. Gehe ich hindurch, bin ich in einer anderen Welt, der Welt der Brüder und Schwestern. Ich gehe nach Hause. Ich kann beruhigt gehen. Ich stelle mir kein Leben mehr mit der Mutter vor, wie es gewesen wäre für mich, das Leben mit einer Mutter. Und hab ich einst geendet des Lebens ernsten Lauf, dann setz mir einen Hügel und setzt ein Blümlein drauf, doch nehmt aus meinem Busen das arme Herz heraus. Was ich in den drei Stunden zur Mutter erfahre, reicht hin, sie weiterhin nicht anzuerkennen. Und dann ist Treff beim jüngsten Bruder. Der hat eine Schlange und füttert sie mit Mäusen. Ist schon sehr verwöhnt, der kleine Bruder. Nach dem Big-Brother-Erlebnis will Bruder Nummer zwei es noch einmal packen, unbedingt auf die Bühne, singen, bekannt werden, erhofft sich eine neue Möglichkeit, den Schub durch eine neue Chance, die er sofort ergreifen will. Fernsehstar werden. Superbruder. Das kanns doch nicht gewesen sein, sagt er. Und kann es einfach immer noch nicht fassen, dass die Mutter aus dem Osten ist, aus dem Honeckerland, der Stasizone. Und dann schauen wir uns Fotos an, Bilder aus der Kinderzeit, Pubertät. Die Fresse von Bruder Nummer eins ist die gleiche geblieben. Die Geschwister erzählen mit Vorsicht einiges zur Mutter, die oftmals fort, tagelang, wochenlang, nicht bei den Kindern ist. Nachbarn müssen sich um die Kinder kümmern. Eine zügellose, unmenschliche Despotin sei sie gewesen, jähzornig, in plötzliche Wut ausbrechend, mit Hang zur Grausamkeit. Ihrem Verhalten gegenüber steht die Ohnmacht der Amter. Blaue Flecken und Geschrei. Die älteren Kinder kümmern sich um die jüngeren Geschwister. Das jüngste Kind nennt die älteste Schwester Mutter, weil es sie für seine Mutter hält, die richtige Mutter ihm wie eine Besucherin erscheint, die für eine Weile im Haus ist, laut wird, rumschimpft, nach den Kindern wie nach lästigen Fliegen klatscht. Geschrei ist die tägliche Hausmusik auch bei uns im Osten gewesen, erzähle ich. Ruppig-rüder Umgang sind die Streicheleinheiten dieser Frau, kommt mit den zwei Kindern nicht klar. Krach aus der Wohnung ist man gewohnt im Haus, und auch dass die Mutter länger weg ist. Aber als es immer stiller und die Mutter länger nicht gesehen wird, schreiten die Nachbarn ein, schalten Ämter ein. Das Amt sieht sich genötigt, etwas zu tun, dass die Kinder wieder zu Stimme kommen und vielleicht einmal vor Freude schreien können, Krach schlagen, wenn ihnen Unrecht geschieht, nicht hauchfein das Leben auswimmern, zu einem unhörbaren letzten Winseln verurteilt sind. Wer immer als Erster gemeint hat, man dürfe nicht länger weghören, müsse was gegen den Zustand unternehmen, ehe es für die Kinder zu spät ist, wer immer zuerst gehandelt hat, er hat mein Leben und das Leben der Schwester gerettet. Sie haben sich nicht im Entferntesten ausgemalt, wie es aussah bei uns. Der rechtschaffene Mensch kann sich nicht ausmalen, was zu tun eine Mutter fähig ist und was zu unterlassen, was Gang ist und Gewohnheit bei gewissen Familien. Wie kann man mit dem eigenen Kind überfordert sein. Wenn man jung ist, ich bitte, höre ich die Museumsdame kommentieren; die war unreif, das war klar, man hätte der das Neugeborene am Wochenbett abnehmen müssen, und alle weiteren Kinder. Kein Tier haust so. Und dieser Dreck, dieser Stallgeruch und mittendrin ich und meine kleinere Schwester, zwei elendige Gerippe zwischen Unrat und Kot, Hingekotztem und Kehricht. Nackt am kalten Boden liegend. Oh, wie muss ich wieder weinen, muss immer wieder weinen, weinen. Eine wütige Person, diese Frau Mutter. Von plötzlichen Attacken gepackt, schlägt um sich, teilt aus, langt hin, dreht durch, haut auf die eigenen Kinder ein, statt sich selbst die Fresse gehörig zu polieren. Und die Tassen, Teller, Kuchengabeln auf dem Tisch sind aufgeregter als die unter uns weilende Mutter, der Grund meiner Reise hierher, die Mutterfahrt, die so lange Zeit meines Lebens das große Thema war. Und was sie zu gestehen hat, beschränkt sich auf die Jetztzeit. Sie sei eben aus dem Nachbarhaus in die Etagenwohnung hierher umgezogen. Sie müsse die momentane Ungemütlichkeit entschuldigen. So eine Frau also ist meine Mutter, denke ich, drehe das Muttergefühl auf null, verstaue die Kinderheimzeiten und alle die aus ihr resultierenden Muttersehnsüchte tunlichst in meine persönliche Verwahrkiste. Wie es mir geht bei der Mutter, fragt mich Schwester Nummer zwei. Ich habe weiterhin keine Mutter, antworte ich. Uns stellen sich weiterhin getrennte Vergangenheiten in den Weg. Es habe einmal Gerede gegeben. Gerüchte um zwei Kinder im Osten, erinnert sich Bruder Nummer eins. Eine Tante hat behauptet, dass es im Osten noch zwei Geschwister gäbe. Und die Mutter hat darauf nur barsch geantwortet: Die sind mir gestorben, die beiden; hat sich entsetzt, wie man nur nachfragen kann, und mich wie die Schwester einfach für tot erklärt. Sie ist eine geistige Kindsmörderin. Sie hat uns auf dem Gewissen. Eine Flüchtende vor dem eigenen Ich ist sie. Dahinein, so mit der Gabel, hat sie einem Kind von ihnen in den Handrücken gestochen, das nach einer Bulette greifen wollte, als es noch nicht erlaubt war. Die drei Punkte verheilen nie. Erzählen könnten sie alle noch viele solcher Geschichten, sagen die Geschwister. Und reden nicht weiter.


Der Einzelne nur Schaum auf der Welle. Die Größe ein bloßer Zufall. Die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel. Ein lächerliches Ringen gegen ein knöchernes Gesetz. Es zu erkennen, das Höchste. Es zu beherrschen unmöglich. Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt? Georg Büchner


IN DER NACHT VOR MEINER ABREISE kommt der Big-Brother-Bruder die lange Anhöhe zu meiner Pension die Straße hoch. Es regnet leicht. Es ist kalt, keineswegs angenehm draußen. Ich freue mich über seinen Spontanbesuch. Ich bin aus dem Bett gesprungen, seinetwegen aufgestanden, um mit ihm die letzte Flasche Wein auf sein Kommen zu öffnen. Wir setzen uns unter das Dach der Pension an einen gemeinsamen Tisch, trinken Wein aus der Region. Regen prasselt unaufhörlich aufs nachsichtige Welldach. Der Bruder sieht bekümmert drein. Es kommt kein rechtes Gespräch auf. Der Bruder druckst herum. Der Bruder ringt mit sich. Der Bruder schüttelt sein Haupt, als ich ihn befrage, was denn sei, und ihn dränge, seinem Herzen Luft zu verschaffen. Ein Glas Wein später gibt der Bruder sich einen Ruck, umklammert die Lehnen des weißen Gartengestühls, müht sich ein gequältes Lächeln ab, lächelt eine Weile sichtlich befreit von der inneren, unsichtbaren Last, die eine ihm aufgebürdete Last ist, wie ich vermute, eine familiäre Mitteilung, die er herschleppen und hier abladen muss, wie der Esel den Sack abwirft.

Ich weiß den nachlassenden Regen. Ich weiß die leere Flasche. Ich schmecke den Wein nach. Ich weiß den Moment zu sagen, in welchem der Bruder sich gesagt haben wird, dass es nicht die Zeit ist, der falsche Ort, er seinen Text nicht sprechen kann, den Auftrag nicht erledigen wird, mit dem er bergan zu mir gekommen ist. Er wird seine Pflicht nicht erfüllen. Der Wein, die Stimmung in der verregneten Nacht sind ihm wichtiger als die Verkündigung. Ein scheißkalter Tag, sage ich. Eine scheißregnerische Nacht, sagt er. Wir sitzen auf der Terrasse, verjagen jedweden Gedanken an Frost und frühen Aufbruch. Die Fahrt von Eberbach fort steht für den Tag um vier Uhr in der Frühe an. Ich sitze mit dem Bruder vor der Pension. Wir reden nicht sonderlich viel. Dann nehmen wir herzlich voneinander Abschied. Ich drücke den Bruder in dem Glauben, man werde sich wiedersehen. Er wandert im Bewusstsein von dannen, den Auftrag nicht erledigt zu haben. Ich sitze die Viertelstunde auf der Terrasse, denke über den Bruder nach, finde gut, dass er den Kontakt sucht, die Bruderschaft in der Nacht pflegt. Er ist wie du, denke ich, wenn auch zwanzig Jahre jünger. Er redet wie du. Er hält den Kopf wie du zur Seite. Er springt, wenn er redet, wie du von Thema zu Thema. Er ist nicht so zapplig, wie ich es bin. Er hat einen traurigen Blick. Er redet schnell. Seine Lippen bewegen sich kaum. Er ist auf seine Art ein cleveres Bürschchen, hat deine Geheimratsecken, wenn auch ein bissei anders geformt. Wir sind uns ähnlich. Ich lege mich hin. Ich schlafe nicht ein. Ich liege zwei Stunden wach. Ich wasche mich. Ich esse eine Kleinigkeit. Ich verlasse die Pension. Ich folge den Hinweisschildern innerhalb der Ortschaft und komme aus Eberbach am Neckar nicht heraus, gelange auf einen abseitigen Pfad, der mich in Richtung Berg und Waldgebiet einer Sehenswürdigkeit entgegenführt, die Begegnung mit dem höchsten Baum Deutschlands, von zahlreichen Hinweisschildern versprochen. Ich steige am Haltepunkt aus. Ich bin zu Fuß in diesem Wald. Die Bäume im Wald sind hoch. Die Bäume werden größer und größer. Je tiefer sie aus einer Bodensenke wachsen, umso mehr gewinnen sie an Größe. Die tiefsten Stämme schießen hoch auf. Das Moos ist so schön. Ich mag die Unsterblichkeit des Waldes. Es regiert eine Helle am Ort. Der Wald ist von Oberlicht erhellt. Ich fühle mich wie in einem großen Gewächshaus, als Fußgänger einer enormen Waldgärtnerei, die als vorzeigbare Topleistung den höchsten Baum Deutschlands unter ihrem Dach stehen hat.

Ich gehe die schmalen Wege entlang, um zum Ausklang meines Aufenthalts in Eberbach am Neckar den höchsten Baum Deutschlands zu sehen. Ich blicke an seinem Stamm empor zum Himmel auf, und mir ist schwindlig, wie mir in Berlin schwindlig wurde, als ich im Alter von 14 Jahren mit der Klasse am Alexanderplatz vor dem Fernsehturm stand, an ihm empor nach oben schaute, ich dieses Bauchgrimmen verspürte. Ich sehe dann das Ende des hohen Baumes und denke, was zu denken ist: So sonderlich hoch ist das Höchste nun auch wieder nicht. Und fasse den Baum mit beiden Händen, lege mein Ohr an seine Rinde, lege die Mutterhaut ab. Ihr werdet Wissende sein, wenn ihr mich in meiner Haut zu Grabe tragt. Legt mich zuvor in Wasser. Umsteht mich, Brüder und Schwestern, bildet einen Kreis. Fasst euch bei euren Händen. Traut euch, die tote Haut anzufassen. Tretet nahe heran, befühlt meinen Leib, betrachtet eure Leiber. Dies ist mein einziger Wunsch an euch.

Und dann auf dem Nachhauseweg, aus Eberbach bereits lange hinausgefahren, auf halben Weg zurück, mitten in die seltsame Stimmung nach dem Besuch an Bord, erreicht mich diese sms: GUTEN MORGEN. WIR WOLLEN ALLE NICHT, DASS DU UEBER UNSER ELEND FRUEHER SCHREIBST. DU KANNST UEBER DICH UND MAMA SCHREIBEN, DEINE GESCHWISTER NICHT. WIR FREUEN UNS AUF DICH ALS BRUDER, NICHT ALS AUTOR. KANNST DU DAS VERSTEHEN? LASSE UNSERE VERGANGENHEIT AUCH UNSERE SEIN. ICH BITTE DICH ALS BRUDER DARUM. Abgesandt morgens, acht Uhr dreiundzwanzig. Die sms spricht von einem WIR, trägt keine Unterschrift. Jeder kann sich eines mobilen Telefons bemächtigen, einen Absagetext eingeben, ihn absenden, ohne dass ich wissen muss, von wem die Nachricht stammt.

Ich trinke an der ersten Tankstelle Kaffee und weiß plötzlich, was der Bruder nicht zu mir gesagt hat, was in der Luft lag; dass er nicht gerne am Leben, das Leben ihm egal ist. Ich fahre nach Hause. Ich sehe die Landschaften, die auf der Hinreise in Dunkelheit lagen, nun im Hellen. Ich nehme mir vor, mein Leben zu ändern, alte Gewohnheiten abzustreifen. Ich komme zu Hause an. Ich bereite mir Sauerkraut und denke, es wird Zeit, sich von dem Steintopf zu trennen. Das wird der Anfang sein. Ich werfe meinen Computer an, sehe die E-Mails durch, finde die Mail des Zweitältesten Sohnes meiner Mutter. Bruder Nummer drei schreibt: Es war schön, Dich getroffen zu haben und einen Schritt weitergekommen zu sein. Leider führen diese Schritte immer von der Mutter weg. Erst die Bestätigung, dass dein Vater nicht mein leiblicher Vater ist, die Erfahrung, dass die Mutter Dich hat sitzen lassen. Ich kann es nach wie vor nicht begreifen. Meine Tochter fragt oft, warum sie nicht zu ihrer Oma darf. Ich sage, dass es nicht gut ist für sie. Irgendwann werde ich ihr einen Teil der Geschichte erzählen. Ich hoffe, sie versteht mich. In der Nacht, als die große Schwester uns alle verlassen hat, lagen deine Schwestern, deine Brüder in meinem Bett. Die Mutter war mit dem Vater auf Tour. Unsere große Schwester ist mit ihrem heimlichen Freund ausgegangen. Ich habe auf die drei Kleinen aufgepasst. Auf der Heimfahrt sind die große Schwester und der Freund kurz vor unserem Haus auf einen Laternenpfahl geknallt. Beide standen stark blutend vor mir und wir überlegten, was wir machen sollten. In der Nacht haben sich die große Schwester und der Freund entschlossen, dass die große Schwester zum Freund geht. Für immer. Heute haben sie selber Kinder, die von zu Hause ausziehen. Allerdings unter anderen Bedingungen. Das ist jetzt zirka dreißig Jahre her. Ich hoffe, dass ich die Einzelheiten auf die Reihe kriege. Es gibt wenige Eckpunkte aus meiner Kindheit, an die ich mich erinnern kann. Manchmal kommen die Bilder wieder, gute und weniger gute, und verschwinden wieder. So, genug von der Seele getippt. Wenn du Lust hast, kannst du etwas von dir erzählen. Mails hole ich jeden Tag ab. Mit der Antwort dauert es meistens. Anbei ein Bildchen als Gruß an Dich und Deine Lieben.


Aber was ist denn das? Ist es denn wirklich geschehen? Hat wirklich einer so zu mir geredet? Hat mir wirklich einer» dummer Bub «gesagt? Und ich hab ihn nicht auf der Stelle zusammengehauen. Aber da hätt' er ja meinen Säbel herausgezogen und zerbrochen, und aus wär's gewesen. Was, ich bin schon auf der Straße? Wie bin ich denn herausgekommen? — So kühl ist es, ah, der Wind tut gut.

Arthur Schnitzler


ES BEDARF KEINER NIEDERSCHRIFT. Das Thema ist glühend genug. Ich werde mir alles einprägen. Das hat diese Rabenmutter geschafft, dass mir die Sache wichtig wird, egal ob ich sie mag oder von mir herschiebe. Es wird alles eines Tages aus mir brechen, Text werden, wenn es erst so weit ist. Der Startschuss fällt. Das erste Wort fällt. Der erste Gedanke gibt mir das Zeichen, mich an die Schreibmaschine zu setzen. Ich bin, was meine Mutter anbelangt, der allbekannte lebensfrohe Dichter, ein terroristischer Schläfer. Ich dämmere eine Weile nach dem Besuch der Mutter. Ich werde auf mein eigenes, ein von mir gesendetes Zeichen hin erst erweckt und zur Tat bereitet.

Wenn es so weit ist, trenne ich mich von allem. Trenne mich von der Liebe, der Geliebten, meiner Familie, den Freunden. Ich verzichte auf die vielen Abwechslungen und Zerstreuungen. Ich wende der Stadt den Rücken zu. Mich geht das Land nichts mehr an. Ich schließe ab mit Nation, Kontinent, Erdendasein. Ich nehme mich raus aus allem. Die aktuellen Nachrichten, ich höre sie nicht. Ich nehme nicht einmal Abschied von den Menschen. Ich werde zum menschlichen Schreibautomaten. Ich sitze an meinem Schreibtisch und schreibe und schreibe. In den Pausen werde ich um einen kleinen, flachen See laufen, der vor der Haustür liegt. Vom Haus zum See, vom See zum Haus, ins Haus zurück. Das Haus ein Zufluchtsort, den ich für mich so bestimmt habe, die Welt in Ruhe zu lassen, sie zu begraben, weil wir uns nichts mehr angehen, niemals wieder eine Außenwelt für mich existieren wird, sie ein Wort ist, die Außenwelt, von dem ich ab sofort nicht weiß, die es dann nicht mehr für mich geben wird, weil ich in meine eigene, so völlig andere, nicht greifbare Welt eintauche, in der es keine anderen Menschen als mich allein gibt, keine Außerirdischen zugelassen sind. Schreibkraft und Konzentration. Zum Schriftsteller abkommandiert. Ich und ich. Und ich weiß mitunter nicht, ob es mich gibt, je gab, alles Einbildung von mir ist. Ich stelle mir irgendwann nicht einmal mehr vor, mit mir zusammen ein gemeinsames Frühstück einzunehmen. Aus dem Spiegel hervor schaut mich niemand an. Ich führe keine Selbstgespräche mehr. Es gibt mein Spiegelbild nicht. Es gibt den Spiegel nicht. Er ist die Wand, nichts sonst für mich. Es gibt die Zeit nicht mehr. Ich weiß nichts von der Zeit vor meiner Zeit. Es gibt nichts zu besprechen. Es braucht und hat keine Alltagsprobleme mehr, keinen Einkauf, keinen Tagesplan. Ich schreibe meint: da ist also das Wesen dem Menschen fremd geworden, ein Ich, das ich nicht bin, und geht sich auch nichts an. Ich höre mich nicht einmal wie einen Roboter reden. Ich sehe meinen Schläferblick nicht, und es stört mich nichts daran. Ich möchte mein Thema wie einen Bombengürtel tragen, mich mit ihm in die Luft jagen. Anders gelingt der Roman zur Mutter nicht. Sie überlebt, wenn ich mich ausgeschrieben habe; unser beider Bestimmung nach, haarscharf und getrennt, wie wir sind, waren, bleiben, zusammen nie und auseinander ein jeder; doch die andere Person als toten Zwitter im Winkel der aufgebrochenen Brust.

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