Василий Шубин - Ритмы истории
Но сопротивлению учит и Шоню, не как историк, приверженец «Анналов», а как историософ. Все его исторические труды посвящены обоснованию ценности свободы, которую он коррелирует с активностью субъекта, с трудом, с деятельностью. Смысл же деятельности придает религия. Шоню–философ явно в оппозиции к Шоню–историку. В зрелом возрасте он перешел из католичества в лютеранство, в котором сильнее подчеркивается аспект активности человека.
Оба мыслителя составляют славу французской интеллектуальной элиты.
Оба энергично служили Клио и на этой стезе резко разошлись с парадигмой
исторической историографии, предложив оригинальные концепции исторического процесса, без которых современное историческое познание уже не сможет обойтись.
Наш обзор моделей истории общества подходит к завершению. Оригинальность концепции В.Нойзера несомненна, но несомненно также и то, что последней точки в таких фундаментальных проблемах быть не может, да автор и не ставит точку, а приглашает к теоретическому разговору, который может дать новый импульс философско–историческим исследованиям[6].
Wolfgang Neuser, Kaiserslautern (Deutschland)
Strukturwandel in der posttraditionellen Gesellschaft
Strukturwandel gehört gegenwärtig zu den größten Herausforderungen unserer Gesellschaft, das sind: Wertewandel in der säkularen Gesellschaft, deren religiöse Tradition sich aufzulösen scheint; Globalisierungsprozesse einer Weltwirtschaft, in der sich die Rolle der Nationalstaaten neben weltumspannenden Unternehmen als global players wandelt; moderne Kommunikationstechnik, die das Arbeitsleben in rasantem Tempo verändert; soziale Spannungen und ethisch–religiöse Konflikte, die die nationale und individuelle Sicherheit bedrohen; Produktionsfortschritte, die mit Qualitätsgewinnen und–verlusten im privaten und öffentlichen Leben einhergehen; u.a.
Der gegenwärtige weltweit beobachtbare Strukturwandel muss als die Endphase einer 100–150 Jahre währenden Übergangsphase von einer traditionellen zu einer posttraditionellen Gesellschaft verstanden werden, die sich strukturell ähnlich auch historisch in der Spätantike oder in der Renaissance abgespielt haben und die auch zu ähnlichen Erscheinungen, wie der Auflösung politischer Hegemonialstrukturen (Zerfall des römischen Reichs, Zerfall der Kirchenmacht, Reorganisation Europas in Konkurrenz zu dem USA), Niedergang kultureller Traditionen und ihrer Ersetzung durch andere (Christianisierung statt lokaler Priester, Rationalismus und Empirismus statt Aristotelismus), der Umwertung von ethischen Normen (Betonung der Subjektverantwortung), oder kriegerischen Auseinandersetzungen (Vandaleneinfälle, Bürgerkriege und Terrorismus) geführt haben. Sie haben auch eine strukturähnliche Ursache.
Auch wenn die politisch–gesellschaftlichen Umbrüche auf den ersten Blick der Motor dieses Wandels zu sein scheinen, stellen sie jedoch nur Erscheinungsformen einer Veränderung der Gesellschaft dar, die ihren Grund in der Änderung von Verstehensprozessen in der Gesellschaft haben — wie ich im folgenden zeigen will.
Ich will die Instrumente entwickeln, diese Verstehensprozesse ihrerseits zu verstehen und zu analysieren, um den Strukturwandel und die Auswirkungen des Strukturwandels auf den Wertewandel und die unternehmerische Wertschöpfung begreifen zu können, um eine angemessene Reaktion auf den Strukturwandel konzipieren zu können und um deren Umsetzung im Unternehmenskontext skizzieren zu können.
1. Verstehenssubtitlerozesse der Gesellschaft
In der gegenwärtigen Gesellschaft lässt sich ein Strukturwandel beobachten, dessen Erscheinung von wirtschaftlichen Veränderungen über technologische Veränderungen bis hin zur Annahme eines Alterungsprozesses einer Zivilisation reichen, die aber ihren Grund in der Änderung von Verstehensprozessen der Gesellschaft haben. Diese Veränderungen folgen aus Handlungen, die auf den veränderten Auffassungen davon beruhen, wie und welche wirtschaftliche Zusammenhänge die Gesellschaft prägen, oder wie und welchen technischen Zusammenhänge nützlich für die Gesellschaft sind, oder welchen moralischen Regeln eine Gesellschaft folgen will oder sollte.
Was sind «Verstehensprozesse der Gesellschaft“, die sich ändern? Können nicht nur individuelle Menschen verstehen, sondern ganze Gesellschaften? Sicher geht das Verstehen von Sachverhalten von Individuen aus. Verstehen heißt aber, dass Zusammenhänge begriffen werden und dann mit anderen Menschen kommuniziert werden.
Diese begrifflichen Zusammenhänge, die das Verstehen ausmachen, können nicht beliebig sein; sie müssen einen breiten gesellschaftlichen Konsens anstreben, weil sie nur dann kommunizierbar sind.
Einzelne Begriffe sind normalerweise dabei immer ohne größere Rückwirkungen auf den Konsens wandelbar, weil ihre Veränderung kommuniziert werden kann. Aber das Gros der Begriffe, zumindest aber sehr grundlegende Begriffe, deren Änderungen wertreichende Bedeutung für das Verstehen von Welt hätte, verhalten sich träge gegenüber Veränderungen. Ihre Veränderungen werden von der Community nicht problemlos akzeptiert. Durch diese nur in mittleren Zeitskalen veränderbaren Begriffen, an denen fast alle Mitglied einer Verstehensgemeinschaft teilhaben, kann man so etwas wie Rahmenbedingungen für ein mögliches Verstehen von Welt, das einer Gesellschaft zur Verfügung steht, konstatieren. Da das spezielle Begriffsgefüge, das zur Verfügung steht, das Verstehen in der Gemeinschaft beschränkt, kann und wird nicht jederzeit von einer Gesellschaft jeder mögliche Gedanke gedacht werden, sondern nur die, die im Kontext der in einer Zeit genutzten Begriffsgefüge formulierbar sind.
Jeder Strukturwandel einer Gesellschaft gründet im Wandel der dem Weltverständnis in der Gesellschaft zugrundeliegenden Begriffsgefüge und damit der Handlungen, die aus diesem Weltverständnis abgeleitet werden. So kann man durch eine philosophische Untersuchung den Status des Verstehens einer Gesellschaft konstatieren, indem man die Veränderungen der Begriffe und ihres Kontextes untersucht, nach Gesetzmäßigkeiten forscht, die hinter den Veränderungen der Begriffsgefüge stehen, und dann mögliche zukünftige Entwicklungen der Begriffsgefüge vorhersagen.
Die Gegenstände jeder philosophischen Untersuchung des gesellschaftlichen Wandels sind daher die grundlegenden Begriffe einer Zivilisation, deren Wandel eine tiefgreifende Änderung des Weltverständnisses, der Orientierung in der Welt und der Wertungen des Handelns nach sich zieht. Wenngleich dieser Wandel in den meisten historischen Zeiten kontinuierlich, nur für den aufmerksamen Beobachter merklich ist, und mit geringen Veränderungen geschieht, so gibt es doch immer wieder historisch hervorragende, relativ kurze Zeiträume (100 bis 150 Jahre), in denen akzelerierend Begriffe und damit Weltverständnisse geändert werden und die zu einer weitgehend neuen Sicht der Welt und damit neuen Begriffsgefüge führen. Diesen Wandel bezeichne ich als den Übergang von einer traditionellen Gesellschaft zu einer posttraditionellen Gesellschaft.[7]
Diese posttraditionelle Gesellschaft ist eine transeunte und sehr labile Kulturform, die, wenn sie zu ihrem Ende hin zu einer in sich gefügten stabileren Gesellschaftsform geführt hat, wieder zu einer nun neu gefügten traditionellen Gesellschaft führt.
Wir leben heute in einer solchen posttraditionellen Gesellschaft und ihr Studium kann uns zu einer erhöhten Aufmerksamkeit für die Entwicklungsmöglichkeiten auf eine zukünftige traditionelle Gesellschaft hin führen.
2. Was charakterisiert eine traditionelle Gesellschaft?
Der gesellschaftliche Wandel, von dem im folgenden die Rede sein soll, hat sich in der Geschichte des Abendlandes zweimal vollzogen und ist zur Zeit wieder im Gange: Diese historischen posttraditionellen Phasen sind die Spätantike und die Renaissance. Die traditionellen Phasen sind also vom Typ der antiken Gesellschaft, der mittelalterlichen Gesellschaft und der Gesellschaft der Neuzeit.
Traditionelle Gesellschaften wandeln sich demnach durchaus, aber so, dass ihr grundsätzliches Weltverständnis in kleinen Zeiträumen nicht wesentlich geändert wird. Kriegerische, wirtschaftliche Ereignisse und epidemische Krankheiten können in der traditionellen Gesellschaft zu gravierenden soziologischen Verwerfungen führen, sie ändern jedoch nichts an der Stabilität der Begriffsgefüge und daran, dass die Gesellschaft «philosophische Stabilität“ behält.
Stabil ist die traditionelle Gesellschaft, im philosophischen Sinne, weil die Art, wie die Welt erklärt wird, welche Fragen man an die Welt stellt oder welches Wissen man über sie hat, unverändert bleibt, und weil der Erfahrungsraum, die Summe der Erfahrungen, die der Welterklärung zugrunde liegen, über jedem kleineren Wandel unverändert bleiben und deshalb auch das Handeln der Einzelnen und der Gesellschaft in einem ähnlichen Rahmen verbleibt.
Unverändert bleibt dies, weil die grundlegenden Begriffe unverändert bleiben, und dies geschieht, weil das Gefüge von Welterklärung und Erfahrung sowie Handeln konsistent bleibt und keine nennenswerten Widersprüche oder Unentscheidbarkeiten im Handeln auf Grund der Erklärung der Erfahrung auftreten. Die Menschen empfinden ihr Verhalten dann als nicht mit ihrem Wissen konfligierend.
Insofern existiert ein stiller und nicht abgesprochener Konsens. Im Rahmen einer geringfügigen Variabilität sind Handlungen konsent, oder es ist wenigstens konsent, dass und welche Handlungen auf keinen Fall akzeptiert werden sollen. Veränderungen im Verständnis sind in das bestehende Begriffsgefüge integrierbar. Im allgemeinen herrscht in der traditionellen Gesellschaft keine Uneinigkeit über Bewertungen oder Werte.
Mit dem sehr weitgehenden homogenen Verständnis von Welt geht damit eine weitgehende Übereinstimmung von Werten, Normen und deren Begründung bzw. Rechtfertigung einher. Die traditionelle Gesellschaft tradiert ihre Kultur über mehrere Generationen unverändert; Begrifflichkeiten, Werte und Normenbegründung wandeln sich außerordentlich langsam und sind deshalb über große Zeiträume weitgehend stabil. Ja, die Stabilität von Begriffen und Werten ist selbst ein Wert der traditionellen Gesellschaft.
Auch in der traditionellen Gesellschaft werden Beobachtungen, Entdeckungen und Erfahrungen gemacht, die über den überlieferten Erfahrungsraum hinausgehen. Solange sie durch geringfügige Änderungen von Begriffen integriert werden können und auf die Änderung einzelner Begriffe beschränkt bleiben, wird dies die traditionelle Gesellschaft nicht ändern. Zu ihrem zeitlichen Ende hin treten aber in der traditionellen Gesellschaft Änderungen auf, wenn grundlegende Begriffe geändert werden und in der Folge davon zunehmend weitere Begriffe geändert werden müssen, um eine innere Konsistenz der Erklärungen des Erfahrungsraumes zu erreichen. Dann wandeln sich auch Normen. Insbesondere gilt es dann nicht mehr als akzeptabel, Begriffe, Werte und Normen stabil zu halten. Stabilität — im philosophischen Sinne — gilt nun nicht als ein wünschenswerter Wert. «Änderung“ wird mehr und mehr zu einem angestrebten Wert. Das scheint unmittelbar plausibel, weil dann, wenn neue Erfahrungen oder neue Erweiterungen des Erfahrungsraumes zwingen, auch die erklärenden Begriffe und die bewertenden Normen zu ändern, und insbesondere, wenn die Begriffe, die von den bereits geänderten grundlegenden Begriffen nachrangig abhängig sind, ihrerseits geändert werden müssen, um Inkonsistenzen der Erklärung zu vermeiden, dann liegt das einzige stabilisierende Verhalten der Verstehensgemeinschaft Nachkorrigieren und Ändern von Begriffen und Werten: Das «Ändern“ und die «Bereitschaft zum Umdenken“ werden stabilisierende Werte. Dann aber befinden wir uns bereits auf dem Weg zu einer «posttraditionellen Gesellschaft“.
3. Was charakterisiert die subtitleosttraditionelle Gesellschaft?
Die posttraditionelle Gesellschaft ist – philosophisch gesehen – eine Kulturform, die in einem engen Zeitraum von wenigen (100–150) Jahren die vollständige Umstellung eines Erklärungskonzeptes von Welt vollzieht – und zwar für alle Existenzbereiche, die als erklärenswert angesehen werden. Dabei wird auf einen Teilbereich des bisherigen Erfahrungsraumes verzichtet, und es bleiben Phänomene, die man zuvor mit dem alten Erklärungskonzept erklären konnte, unerklärt. Das neue Erklärungskonzept einer zukünftigen traditionellen Gesellschaft wird in der posttraditionellen Gesellschaft vorbereitet, und die Zeit der posttraditionellen Gesellschaft markiert den Übergang von einem früheren zu einem vollständig neuen Erklärungskonzept.
Es ist die Aufgabe der posttraditionellen Gesellschaft, die in Inkonsistenz geratenen Erklärungskonzepte für die vorhandenen Erfahrungen in einen neuen stabilen Zustand, d.h. zu neuen Erklärungskonzepten zu führen.
Damit ist die posttraditionelle Gesellschaft davon geprägt, dass kein einheitliches Erklärungskonzept akzeptiert wird, wohl aber eine Vielzahl von Versuchen, Konsistenz zwischen Erklärung und Erfahrungen zu schaffen, nebeneinander existieren.
Es ist deshalb auch eine größere Toleranz gegenüber ausgefallenen Konzepten notwendig und üblich. Damit geht einher, dass es nur einen geringen Konsens über allgemein gültige Erklärungen und Werte gibt. Wenn es ihn gibt, dann nur in soziologisch umschreibbaren engen Gruppen. Nur für wenige Fragestellungen haben diese Gruppen eine Identität. Die übrigen Erklärungen und Werte werden von den einzelnen Mitgliedern einer Verstehensgemeinschaft in der posttraditionellen Gesellschaft nicht immer als konsistent erlebt. Begriffe und damit die Erklärungskonzepte wandeln sich ständig. Bildungssysteme können bereits während ihrer Entwicklung und Modifikation veralten. Der Begriffs–und Wertewandel akzeleriert.
Die Tradierung von Wissen und Bildung wird nicht mehr über mehrere Generationen geführt, sondern kann sich punktuell in der gleichen Generation zu unterschiedlichen, ja sich ausschließenden Konzepten wandeln.
Wenn die posttraditionelle Gesellschaft zu konsistenten für alle Erfahrungsbereiche konvergenten Erklärungen und Begriffen kommt, führt sie vorwärts in eine traditionelle Gesellschaft, die sich aber grundlegend von derjenigen unterscheidet, von der diese posttraditionelle Gesellschaft startete.
4. Was bewirkt den Wandel? Was macht den Strukturwandel aus?
Die Kultur einer Gesellschaft ist wesentlich davon getragen, wie Erfahrungen, deren theoretische Erklärung und das daraus folgende Handeln miteinander verbunden werden.